Am 31.8.2019 feierter „Turandot“ in einer tiefgehenden Inszenierung von Valentin Schwarz und imposantem Bühnenbild von Andrea Cozzi Premiere am Staatstheater Darmstadt. Eine Inszenierung die gestörte Geschlechterverhältnisse und Wahnvorstellungen in den Mittelpunkt stellt.
Regisseur Valentin Schwarz dazu in einem Interview des Staatstheater Darmstadt: „“Turandot“ gilt als paradigmatische Oper des Exotismus im Fin de siècle, zu einem Zeitpunkt, als im europäischen Künstler- und Bürgertum das Interesse an fernen, fantastischen Welten rasant stieg. Im Zuge der Entzauberung der Welt und der Krise der Moderne sehnte man sich nach schillernden Stoffen fernab des oft allzu pragmatischen Alltags. Mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Orientalistik und der Beschäftigung mit fernöstlicher Kunst kam man mit einem durch Manierismen gefilterten China in Berührung, welches der realen gesellschaftlichen Leere einen idealen Schauplatz zur Weltflucht bot. Gerade Oper, als utopischer Sehnsuchtsort, ist hierfür das prädestinierte Medium. Die Gefahren einer ambivalenten Anziehungskraft des Exotischen liegen in der einhergehenden Abwendung von realen politischen Problemfeldern.“
Auszüge aus den Kritiken
„“Turandot“ ist keineswegs ein Märchen – Warum kann man sich dennoch so gut darauf einlassen? Weil Schwarz Antworten auf Fragen gibt, die „Turandot“-Hörer haben können. Dem Eindruck, dass es sich bei Puccinis letzter Oper keineswegs um ein Märchen handelt, aber freilich auch nicht um eine realistisch anzupackende Geschichte, kann er durch die Erzählung eines Wahns etwas Fesselndes entgegensetzen. […] Schwarz inszeniert gegen das Happyend, aber keinesfalls gegen die Musik. […]
Die Rahmenhandlung spielt in einer dezent expressionistischen Welt, was zur Entstehungszeit der Oper so gut passt wie zum fernöstlichen Dekor. Bühnenbildner Andrea Cozzi richtet die opulente chinesische Fantasiewelt auf einer großen Tribüne imposant und duster an […]“ (Judith v. Sternburg, Frankfurter Rundschau)
„Aber hier gab es nicht die sonst bei Turandot üblichen öffentlichen Spektakel der Grausamkeiten oder des Ratespiels auf Leben und Tod und dann die furchterregende Nacht des „Niemand schlafe“ (samt Calafs Tenor-Wunschkonzerthit „Nessun dorma“). Hier werden zwar auch öffentlich Menschen aufs Rad geflochten und ihnen die Glieder zerschlagen. […] Aber hier ringt ganz offensichtlich einer mit sich selbst. Bzw. mit der dunklen Seite seiner Persönlichkeit. Dadurch wird alles zu einem Alptraum Calafs. Einer, der ihn in seine Phantasien hineinzieht. Und aus dem es kein Entrinnen gibt.“ (Joachim Lange, NMZ)
„Prinz Calaf, der antritt, die drei Rätsel von Turandot zu lösen oder zu sterben, mutiert bei Valentin Schwarz zum Künstler, der sich in einem als Zwischenvorhang fungierenden Riesenbild eine dahinter liegende Anderswelt zurechtmalt und über seiner Obsession in den Wahnsinn driftet. Turandot wird Teil seiner (Wahn-) Welt, vor der ihn Vater Timur und Liu (hier einmal keine still leidende kleine, zarte Figur, sondern eine resolut, aber vergeblich Kämpfende; Jana Baumeister singt vorzüglich) zu retten versuchen.“ (Karl Harb, SN)
Photos (c) Nils Heck